800 Jahre franziskanische Weihnacht
Herzliche Einladung zur Krippenausstellung im Wiener Franziskanerkloster!
Refektorium, Franziskanerplatz 4
Zeitraum:
- Sonntag, 3. Dezember bis Dienstag, 12. Dezember 2023
- jeweils von 10:00 – 12:00 Uhr und 14:00 – 18:00 Uhr
Das Rahmenprogramm:
- Sonntag, 3. Dezember | 10.00 Uhr - Kirche
Adventgottesdienst zur Eröffnung der Krippenausstellung
- Montag, 4. Dezember | 17.30 Uhr - Refektorium
Die Krippenfeier des hl. Franziskus in Greccio
Vortrag von P. Moritz Windegger OFM
- Dienstag, 5. Dezember | 17.30 Uhr - Refektorium
Die franziskanische Krippenfrömmigkeit
Vortrag von P. Oliver Ruggenthaler OFM
- Mittwoch, 6. Dezember | 17.30 Uhr - Refektorium
Krippe und Krieg?
Vortrag von P. Elias van Haaren OFM
Ein Artikel von P. Oliver Ruggenthaler OFM, verfasst für die Ausgabe 4/2023 von Betendes Gottes Volk:
800 Jahre franziskanische Weihnacht
Um das dem menschlichen Verstand Unbegreifliche sinnenhaft greifbar und vorstellbar zu machen, veranstaltete Franziskus zu Weihnachten 1223, also vor genau 800 Jahren, im Bergklösterchen von Greccio bei Rieti das erste Krippenspiel. Was hohe Theologie und geschliffene Rede den einfachen Menschen nicht zu vermitteln vermochte, gelang dem einfältigen Liebhaber der Armut und Einfachheit durch pastorale Klugheit, wie man heute sagen würde. Aus eigener Erfahrung beständiger Betrachtung und ersehnter Schauung der Geheimnisse des Glaubens, öffnete Franziskus vielen Menschen durch neue Zugänge die Augen des Herzens für das liebende Zugehen Gottes auf seine Schöpfung.
Greccio, das neue Bethlehem
Thomas von Celano, Mitbruder und Biograph des Franziskus, beschreibt sehr einfühlsam das innere Empfinden des Heiligen bei dem weihnachtlichen Bibliodrama:
Des Franziskus höchstes Streben, sein vornehmster Wunsch und seine oberste Lebensregel war, das heilige Evangelium in allem und durch alles zu beobachten. Mit aller Wachsamkeit, allem Eifer, der ganzen Sehnsucht seines Geistes und der ganzen Glut seines Herzens suchte er, vollkommen der Lehre unseres Herrn Jesus Christus zu folgen und seinen Fußspuren nach zu wandeln. In ständiger Betrachtung rief er die Erinnerung an seine Worte wach und in scharfsinnigster Erwägung überdachte er seine Werke. Vor allem war es die Demut der Menschwerdung Jesu und die durch sein Leiden bewiesene Liebe, die seine Gedanken derart beschäftigten, dass er kaum an etwas anderes denken wollte. –
Daher muss man jener Feier gedenken und sie ehrfurchtsvoll erwähnen, die er bei Greccio am Tage der Geburt des Herrn Jesus Christus abgehalten hat. Franziskus sprach: „Ich möchte das Gedächtnis an jenes Kind begehen, das in Bethlehem geboren wurde, und ich möchte die bittere Not, die es schon als kleines Kind zu leiden hatte, wie es in eine Krippe gelegt, an der Ochs und Esel standen und wie es auf Heu gebettet wurde, so greifbar als möglich mit leiblichen Augen schauen.“
Nun wird eine Krippe zurecht gemacht, Heu herbeigebracht, Ochs und Esel herzu geführt. Zu Ehren kommt da die Einfalt, die Armut wird erhöht, die Demut gepriesen, und aus Greccio wird gleichsam ein neues Bethlehem. Der Heilige Gottes steht an der Krippe, er seufzt voll tiefen Wehs, von heiliger Andacht durchschauert und von wunderbarer Freude durchströmt. Dann predigt er dem umstehenden Volk von der Geburt des armen Königs, und ein frommer Mann hatte ein wunderbares Gesicht. Er sah nämlich in der Krippe ein lebloses Knäblein liegen; zu diesem sah er den Heiligen Gottes herzutreten und das Kind wie aus tiefem Schlaf erwecken. Gar nicht unzutreffend ist dieses Gesicht; denn der Jesusknabe war in vieler Herzen vergessen. Da wurde er in ihnen mit seiner Gnade durch seinen heiligen Diener Franziskus wieder erweckt und zu eifrigem Gedenken eingeprägt. (1 Cel 85-86).
Weihnachten als Passionsgeschehen
Die Menschwerdung Gottes im Kind von Bethlehem war demnach wesentlicher Inhalt der geistlichen Betrachtung des heiligen Franz von Assisi. Nicht aber die Idylle der Krippe, die unser Herz für gewöhnlich anrührt, nicht der Friede, den sie ausstrahlt und auch nicht der Gloriagesang der Engelscharen bringt Franziskus in staunende Entzückung, sondern jenes große Geheimnis, das er zugleich bereits als Beginn der Passion Jesu erkennt: Der Erhabene Gott liefert sich aus freiem Willen dem menschlichen Dasein aus, der Allmächtige wird ein zerbrechliches Kind. Die Sehnsucht nach jedem Menschen, gerade nach jenen am Rand, den Armen und Sprachlosen, die Sehnsucht nach der Vollendung der ganzen Schöpfung, drängt den Schöpfer einzutreten in sein Eigentum, nicht königlich mit Pauken und Trompeten, vielmehr als zartes Kind unter den Schalmeienklängen armer Hirten. Somit steht bei Franziskus ganz die Armut des Kindes im Vordergrund, das völlige Ausgeliefertsein.
Uns geboren am Weg
Franziskus hatte ein eigenes Passionsoffizium verfasst, eine Zusammenstellung gängiger Psalmen aus der Heiligen Schrift mit speziellen Erweiterungen, die als seine eigene Interpretation derselben gelesen werden dürfen. In den dazugehörigen Weihnachtspsalm webt Franziskus das Evangelium mit ein, wenn er betet: Denn der heiligste Vater im Himmel, unser König von Ewigkeiten, hat seinen geliebten Sohn aus der Höhe gesandt, und er ist von der seligen Jungfrau Maria, geboren worden.
Von besonderem Interesse scheint in weiterer Folge eine unscheinbare Erweiterung, die Franziskus vornimmt: Denn das heiligste, geliebte Kind ist uns geboren am Weg, und in eine Krippe gelegt worden, weil es keinen Platz in der Herberge hatte. Den heimatlosen, wohnsitzlosen Wegcharakter seiner neuen Bewegung bzw. Bruderschaft hat der Kleine von Assisi als Identifikationsmerkmal in der Biographie des Menschen Jesus von Nazareth wieder gefunden. Er, der stets am Weg war, fand mit offenen Augen und Herzen überall den am Weg Geborenen. Es ist jener verheißene Immanuel, jener „Gott mit uns“, den der Verkündigungsengel genannt hatte, der überall auf den Wegen dieser Welt als unscheinbares Neugeborenes zu finden ist.
Eine Krippe im Herzen
Das Weihnachtsspiel von Greccio hat keinen Selbstzweck, dient nicht rein der Unterhaltung. Zuallererst soll es die Betrachter in gleicher Weise betroffen machen, wie es Franziskus seit seiner Bekehrung selber war, zutiefst ergriffen vom liebenden Gott, erfahrbar im Kind von Bethlehem. Das vergessene, scheinbar leblose Kind erweckte Franziskus im Denken und im Fühlen der Menschen neu, wie Celano schreibt. Christus erwachte gleichsam wiederum in den Zuschauern und Betrachtern des Mysterienspiels und vieler Menschen Herzen wurden zu einer Krippe, zu einer Wohnung, zu einem Daheim für das heimatlose Christuskind. Wie die Gottesmutter Maria, an deren Leid Franziskus in jener Nacht besonders dachte, sollten wir den Jesusknaben mit Liebe in unseren Herzen tragen und in die dunkle Welt hereingebären durch ein lichtvolles Handeln.
Ochs und Esel
Besonderes Interesse in jeder Krippe ziehen, abgesehen von den eher unscheinbaren Schafen, meist Ochs und Esel auf sich. Auch Franziskus wollte zu Greccio nicht auf sie verzichten, wenngleich sie in ihrem Wesen und Auftritt die fromme Szenerie hätten negativ beeinflussen und die Aufmerksamkeit der Betrachter hätten fehlleiten können. Geradezu überdimensional drängen sie ins Bild. Die Darstellung der beiden Kreaturen hat wohl weniger mit franziskanischer Tierliebe zu tun als mit der Aussage, dass selbst die vermeintlich unvernünftige Schöpfung die Gegenwart des Schöpfers, hier im Kind von Bethlehem, erkennt. Um wieviel mehr ist es dir, o Mensch, aufgetragen und gegeben, den lebendigen Gott wahrzunehmen, zu ehren und die Gemeinschaft mit ihm zu suchen! Die einfache Kreatur beschämt sozusagen den vernunftbegabten Menschen, der bei allen geschenkten Fähigkeiten Gott eher aus den Augen und dem Herzen verliert als sucht und findet.
Weihnachtsaugen
Durch eine simple und doch kreative Pädagogik, durch das einfache Nachspielen des Evangeliums, der Frohen Botschaft von der Fleischwerdung Gottes im Kind von Bethlehem, ist es Franz von Assisi bereits vor 800 Jahren gelungen, ohne ein ausgefeiltes und kluges pastorales Konzept Menschen die Augen zu öffnen für den dreifaltigen Gott, der wesenhaft die Sehnsucht nach dem Menschen, nach seiner ganzen Schöpfung in sich trägt. Franziskus konnte aus eigener Ergriffenheit jene Weihnachtsaugen neu öffnen, die eigentlich jedem Menschen geschenkt sind, nämlich den wahrzunehmen und zu erkennen, der uns zuerst geliebt hat und geboren wird auch an unserem konkreten Weg, an meinem Weg, und diesen mitgeht als der Immanuel, der Gott mit uns.
P. Oliver Ruggenthaler OFM