Hallo Kinder!
...Wenn ich dich schon sehe, wird mir übel, du eingebildete Gurke, ich bring dich um, du…“, und weitere Beschimpfungen folgen. Der Mann geht wieder laut fluchend und schimpfend in sein Haus zurück. Oma ist ein Engel. Seufzend dreht sie sich um, schaut nicht zurück und zuckt resignierend mit den Schultern. „Oma, lass` dir das doch nicht gefallen. So eine Gemeinheit, warum beschimpft dich der Nachbar so schrecklich?“ Viktoria und ihre Schwester sind richtig empört. „Kannst du dich nicht wehren?“, fragt Sophie. „Warum gehst du nicht zur Polizei?“, fragt Viki. Die beiden sind über die Ferien bei Oma im Dorf.
Ihre Mama arbeitet im Ausland als Pflegerin. Eigentlich ist sie Ingenieurin, aber als Pflegerin im Nachbarland verdient sie mehr als zuhause als technische Angestellte. „Ja, ich habe schon einmal eine Anzeige gemacht, aber die Polizistin ist ja die Schwester vom Nachbarn, sie hat mir gesagt, ich soll nicht gleich beleidigt sein.“ „Aber das ist doch ungerecht, Omi, warum tut der so was?“ Viktoria ist immerhin schon zwölf und eine Gerechtigkeitsfanatikerin. Sie kann es einfach nicht leiden, wenn jemand ungerecht behandelt wird. Schon gar nicht, wenn es die Omi trifft.
„Wisst ihr, seit Opa gestorben ist, tut der Nachbar das. Aber nicht nur er, sondern auch seine Frau und der Sohn schimpfen immer herüber. Ich weiß nicht, warum, aber ich bin zu müde, mich zu wehren.“ Oma zuckt mit den Achseln. „Das gibt´s doch nicht, Oma. Wenn wir im Internat sind, schimpfen die auch? Wissen die nicht, dass man auch Gott beleidigt, wenn man einem anderen etwas Böses antut?“ Viktoria liebt Religion in der Schule, deswegen weiß sie auch viel „Das fünfte Gebot heißt, DU SOLLST NICHT TÖTEN, haben wir gelernt. Sie müssen dich ja nicht umbringen, allein, dass sie dich beschimpfen, genügt schon. Außerdem kränkst du dich und das ist schlecht für deine Nerven, und wenn man kranke Nerven hat, stirbt man früher.“
Viktoria ist empört über die Nachbarn. „Und wer wird uns dann die wunderbaren Mehlspeisen machen?“, kichert Sophie. „Na, so schlimm wird es hoffentlich nicht werden. Aber wer weiß, wenn jemand schimpft und droht, dann ist der Weg zur Tat auch nicht weit. Ja, aber wahrscheinlich sind die Nachbarn nicht ganz richtig im Kopf“, meint Omi, lächelt und tippt sich mit dem Zeigefinger auf die Stirn. „Irgendwie habe ich mich daran gewöhnt. Ich gehe halt nicht aus dem Haus, wenn die in der Nähe sind.“ Sophie umarmt ihre Oma schnell und sagt: „Hab´ keine Angst, Omi, wir erledigen das“, und schon ist sie aus dem Haus.
„He warte doch, ich treffe mich mit Ina und ihrem Bruder Juri. Auch Magdalena und Marketta kommen auf den Spielplatz. Gregor hat ein neues Skateboard und will damit angeben“, lacht Viktoria, „Ja, das schau ich mir auch an“, ruft Sophie im Laufen. Am sogenannten Spielplatz geht es lustig zu. Es sind mindestens zwölf Mitschüler und Mitschülerinnen da. Alle sitzen auf einer langen, niederen Mauer, wie die Spatzen auf dem Telegrafendraht, und warten auf den Skateboardkünstler.
Mit zusammengekniffenen Augenbrauen kommt Viki daher. Sie ruft laut: „Hi, Leute, ich bin total sauer! Unsere Nachbarn mobben unsere Oma. Aber wie! Die Schimpfwörter, die sie rufen, möchte ich gar nicht wiederholen. Wenn man zur Polizei geht, nützt es nichts, weil die dicke Polizistin die Schwester des Nachbarn ist. Wir sind schon verzweifelt. Eigentlich kann uns niemand helfen!“ „Wer sagt denn das?“ Gregor ist mit seinem Sportgerät angekommen. „Sollen wir denen den Mülleimer vor die Eingangstür leeren, oder Buttersäure über den Gartenzaun werfen? Das stinkt dann entsetzlich ein paar Tage lang! Ich besorge gleich eine Flasche! Mein Papa ist der Apotheker!“ „Nein, nein!“, rufen die beiden Mädchen, „man soll nicht Böses mit Bösem vergelten. Das macht alles noch schlimmer!“
Langes Schweigen herrscht in der Gruppe. Grinsend über das ganze Gesicht meint Gregor: „O, wie bist du doch brav und edel, aber ich hätte da eine Idee…“ Alle kommen näher und hören, was Gregor zu sagen hat. Zustimmendes Gemurmel, Kichern der Mädchen, und schließlich die Frage: „Wer macht mit?“ Fast alle heben die Hände, nur Viktoria hat noch einmal ihre Bedenken. „Es darf niemandem etwas geschehen, dann mach ich mit. Wow – ihr seid suuuper!!!“ „Aber alles muss geheim bleiben, niemand plaudert! OK?“, ruft Sophie dazwischen. „Ehrensache und eh klar!“, nicken die anderen. Gregors Skateboardkünste haben alle vergessen. Er selbst auch.
Dann geht es los: Die Mädchen schreiben einen Text auf ihrem Laptop, drucken zehn weiße Blätter aus, senden den Text an ihre Freundinnen und Freunde der ganzen Bande. Jeder von denen druckt zehn Blätter aus. Am kommenden Tag treffen sie sich wieder im Park am „Kinderspielplatz“. Jedes Mädchen hat zehn Blätter mitgebracht. Jetzt kommen die Buben an die Reihe. Fröhlich grinsend nehmen sie die Texte entgegen. Mathi, ein Schulkollege von Sophie, hat zwei Freunde mitgebracht, denen in den Ferien langweilig ist. Juriji, der Sohn des Bäckers, hat am Abend vorher Kleister aus Mehl und Wasser gemixt. Gregor hat aus der Apotheke noch eine Zutat mitgebracht, die sie in den Kleister gegossen haben. Dann wird noch einmal der ganze Plan durchbesprochen. Niemand kommt zu Schaden, es ist auch nicht verboten, was sie vorhaben.
Fröhlich lachend und voller Spannung ziehen die Burschen los. Es ist schon ziemlich spät geworden. Viktoria, Julia, Marketta, Magdalena, Eva, Paula und die jüngste namens Monika laufen aufgeregt plappernd nach Hause. Dort sind sie alle sehr still und keine sagt ein Wort, es ist das große Geheimnis der Bande. Nur – einschlafen können sie nicht. Am nächsten Morgen, es ist Sonntag, haben die Menschen im Dorf Zeit. Viele schlafen lang, einige gehen schon in die Frühmesse und sehen mit Erstaunen viele weiße Zettel an den Hauswänden kleben. Verwundert lesen die Dorfbewohner den Text.
„HILFE, HILFE, HILFE, unsere Oma wird sehr arg von ihrem Nachbarn beschimpft. Sie ist allein und kann sich nicht wehren!! Auch die Polizei kann uns nicht helfen. Warum muss unsere Oma das ertragen? Vielleicht, liebe Mitmenschen, können Sie uns helfen. Viktoria und Sophie“
Kopfschüttelnd gehen manche Leute weiter. Andere lesen das noch einmal, denken nach, wer die Viktoria und Sophie sind. Auch aus anderen Teilen des Dorfes werden die weißen Plakate gesichtet. Einige Passanten versuchen das Papier von den Gartenzäunen zu entfernen, aber das Zeug klebt fest. Nachmittags gehen noch mehr Leute auf die Straße. Das Wetter ist herrlich, viele machen einen Spaziergang, etliche sind mit dem Fahrrad unterwegs und sehen in allen Teilen des Dorfes die weißen Zettel kleben. Die Buben haben spät abends und in der Nacht wirklich ganze Arbeit geleistet! Viele Menschen bleiben vor den Plakaten stehen und raten, wer da den Hilferuf aufgeklebt hat. Irgendwer ruft die Polizei, aber Zettel aufkleben tut bald jemand.
Oben auf dem Hügel über dem Dorf wohnt Herr P. mit seiner Familie. Er ist allseits beliebt, weil er ein sehr netter, freundlicher Mann ist. Er ist ein sehr bekannter Schauspieler. Jeder kennt ihn aus dem Fernsehen als Serienstar. Auch auf seinem Zaun klebt das weiße Plakat mit dem Hilfeschrei der kids. Kopfschüttelnd liest er den Text. „Das gibt es doch gar nicht. Das sind ja Kinder, die diesen Hilferuf absenden. Die Idee ist nicht schlecht“, sagt er lächelnd zu seiner Gattin. Die ist aber auch so eine Gerechtigkeitsfanatikerin wie Viktoria. Sie holt ihr Handy und beginnt zu erforschen, wer denn die beiden Mädchen sind, die da unterschrieben haben, und – entdeckt die Familiennamen…
Es war für Oma sehr aufregend, als sie vor dem Fernsehteam erzählt hat, wie sehr sie beleidigt worden ist. Herr P. hat den Fall ins Fernsehen gebracht. Ein Anwalt hat sich ihrer Sache angenommen und nach einiger Zeit ist die böse Nachbarsfamilie vom Gericht zu einer Schmerzensgeldzahlung verurteilt worden.
Der böse Nachbar wird nun im Spital wegen seines Hasses behandelt. Er wird noch länger in der psychiatrischen Klinik bleiben. Die dicke Polizistin ist vom Dienst suspendiert worden. Viele Familien sind an einem Sonntagnachmittag vor dem Fernsehgerät gesessen und haben erstaunt gesehen und gehört, was ihren klugen Kindern alles eingefallen ist. Es hat großen Spaß gemacht, von der Plakataktion zu erzählen. Und wie es im TV einmal ist, hat Gregor seine Skatboardkünste vor laufender Kamera gezeigt und hat dabei prompt einen Bauchfleck gelandet. Ja, und Omi hat einen großen Teil des Schmerzensgeldes dazu verwendet, den „Spielplatz“ herrichten zu lassen.
Hannelore Forstreiter
Nun noch ein ganz leichtes Rätsel:
Lies einfach diesen verrückten Text, drucke ihn aus, dann nimm einen Buntstift und teile die Satzglieder so, dass aus dem verrückten Text ganz besonders wichtige Sätze werden.
Schreibe sie auf, damit du über die Ferien das Schreiben nicht verlernst :-)
Sende die richtige Antwort an:
FRK, Postfach 695, A-1011 Wien;
Einsendeschluss: 15. August 2022
Vergiss nicht, dein Alter anzugeben.
Schöne Bücher warten auf dich.
© Fotos/Bilder:
© Foto Startseite: Helene Souza/pixelio.de; © Foto 1: BMI Österreich/Egon Weissheimer; © Foto 2: Farbenfreude/pixelio.de; © Foto 3: Rainer Sturm/pixelio.de; © Bild 4: Hannelore Forstreiter; © Foto 5: Dieter Schütz/pixelio.de; © Foto 6: Klaus Brüheim/pixelio.de; Rätsel: Hannelore Forstreiter